Stuttgarter Nachrichten: Zuschüsse für NGOs – Brüssels Förderpraxis ist umstritten
Von Markus Grabitz
Die EU-Kommission unterstützt seit Jahren Verbände, die sich für Umweltschutz, soziale Belange oder Entwicklungshilfe einsetzen. 2015 wurden dafür 1,2 Milliarden Euro ausgegeben. Damit werden auch Organisationen gefördert, deren Ziele im Widerspruch zu den Anliegen der EU stehen.
Brüssel – Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist eine von vielen sogenannten Nichtregierungs-Organisationen (englische Abkürzung: NGOs), die von den Fördergeldern der EU-Kommission profitieren. Sie soll von August 2016 bis November 2019 insgesamt 521 834 Euro für eine Kampagne aus Brüssel bekommen. Damit umfassen die Zuschüsse mehr als die Hälfte der Kosten des gesamten Projektes, die auf 869 936 Euro veranschlagt sind.
Mit dem Geld verfolgt die Kommission klar definierte Ziele. Es geht darum, die Öffentlichkeit in Deutschland und anderswo für die EU-Regeln zu sauberer Luft zu sensibilisieren. In Stuttgart, Berlin und anderen deutschen Städten ist das gerade hoch aktuell. Es laufen Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland, Italien und andere Länder, weil Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub seit Jahren nicht eingehalten werden.
Kampagne der Umwelthilfe soll 13 Millionen EU-Bürger erreichen
Das Ziel der DUH-Kampagne ist es, „13 Millionen Bürger in mindestens sieben EU-Ländern zu erreichen“. Dafür sollen mindestens 200 Artikel in Zeitungen erscheinen, die von zehn Millionen Bürgern gelesen werden, TV und Radio sollen weitere sechs Millionen Menschen erreichen. 100 000 Kontakte im Netz und über Soziale Medien werden angestrebt. Auch 100 „Repräsentanten“ aus EU-Kommission, Parlament, Wirtschaft und Think tanks sollen kontaktiert werden. All dies geht aus den Zielvereinbarungen hervor, die die EU-Kommission mit der DUH geschlossen hat.
Einer der Abgeordneten im Europa-Parlament, der von der Umwelthilfe lobbyiert werden könnte, heißt Markus Pieper. Der CDU-Mann aus Osnabrück und Experte für Mittelstandspolitik hat von der mit EU-Geldern geförderten Kampagne der Umwelthilfe aber noch nie etwas gehört. Für Pieper zeigt auch dieses Beispiel, dass bei der Finanzierung der Arbeit von Nichtregierungs-Organisationen durch die EU einiges im Argen liegt. Er findet es nicht generell anstößig, dass die Umwelthilfe und andere Geld bekommen. „Ich stehe dazu, dass NGOs öffentliche Unterstützung bekommen.“ Zu viele wichtige Informationen seien aber nur sehr schwer zugänglich, selbst für einen Europaabgeordneten. „Im Interesse der Steuerzahler muss die Transparenz der Geldflüsse besser werden.“
Pieper beklagt mangelnde Gesamtaufsicht
Im April liegt dem Haushaltskontrollausschuss im Europa-Parlament ein Antrag aus Piepers Feder zur weiteren Diskussion vor, der unserer Zeitung vorliegt. Darin geht Pieper hart mit der herrschenden Praxis ins Gericht. Der Antrag „verurteilt“, dass das System der EU-Kommission zur Überwachung der Finanzhilfen „Ermessensspielräume bei der Erfassung der Daten zugesteht“. Das System enthalte widersprüchliche Informationen, „Querverbindungen“ könnten nicht hergestellt werden. Eine Gesamtaufsicht fehle.
Pieper kritisiert, dass an die NGO-Subventionierung nicht so strenge Maßstäbe bei der Transparenz angelegt werden wie etwa bei der Regionalförderung. Die müsse sich ändern: „Die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf zu erfahren, wohin das Geld fließt und zwar projektscharf und bis hin zu jeder Unterorganisation im Mitgliedsland.“ Pieper stellt Fragen zur Vergabe von Fördergeldern: „Ist es wirklich in Ordnung, wenn mit EU-Geldern Organisationen gefördert werden, die den Freihandel ablehnen?“ Hintergrund ist die Seite einer dänischen NGO im Netz, die den Stopp der TTIP-Verhandlungen forderte und mit dem Logo versehen war: „EU finanziert“. Inzwischen ist die Seite verändert worden, sie ist allerdings in einschlägigen Archiven noch einsehbar. Pieper fordert, es dürften künftig nur noch NGOs Fördergelder bekommen, die sich nicht „gegen die handels- und sicherheitspolitischen Ziele der Institutionen der EU richten“. Auch Organisationen, die „nachweislich Unwahrheiten verbreiteten“, müssten tabu sein.
Haushaltskommissar reagiert zurückhaltend
Pieper wirft der Kommission zudem vor, mit der NGO-Förderung über ihre Kompetenzen hinaus zu gehen. „Bei bestimmten Stellen der Kommission“ gebe es die Tendenz, die Verteilung von EU-Finanzhilfen für „die eigene politische Agenda“ auszunutzen. „Geht es nicht zu weit, wenn NGOs EU-Gelder bekommen, um bei Abgeordneten im EU-Parlament und bei den nationalen Parlamenten zu lobbyieren?“ Dies widerspreche dem demokratischen Prinzip der Gewaltenteilung. Piepers Kritik richtet sich an dessen Parteifreund, EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU). Oettinger reagiert zurückhaltend: „Wir werden uns die einzelnen Punkte genau anschauen und dann prüfen, ob und in welchem Umfang diese umgesetzt werden können“, sagte der Kommissar im Gespräch mit unserer Zeitung.
Lobby Control ist eine NGO mit Sitz in Brüssel, Köln und Berlin, die sich dem Einsatz für mehr Transparenz bei Kontakten zwischen Politik und Wirtschaft verschrieben hat. Nach eigenen Angaben hat die Organisation noch nie mittel- oder unmittelbar Fördergelder aus Brüssel bekommen. Uli Müller von Lobby Control hält wenig von Piepers Plänen: „Der Antrag muss grundlegend überarbeitet und von seiner Anti-NGO-Stoßrichtung befreit werden.“