Westfälische Nachrichten: Politischer Aschermittwoch in Sassenberg – Ritt auf der Rasierklinge
Wenn die Seniorenunion zum politischen Aschermittwoch einlädt ist der Saal voll – so auch in diesem Jahr. Zur 16. Auflage begrüßte der Vorsitzende August Budde den Europaparlamentsabgeordneten Dr. Markus Pieper. Doch bevor der hohe Gast im Saal von Hotel Börding eintraf, richtete Bürgermeister Josef Uphoff das Wort an die Anwesenden.
„Ich war schon oft bei dieser Veranstaltung zu Gast. Die Mischung macht’s“, so Uphoff mit Blick auf die erneut große Resonanz. Sein kurzer Überblick widmete sich der aktuell guten Haushaltssituation, der Flüchtlingspolitik und dem „sehr komplizierten Verfahren“ rund um das Planungsrecht in Sachen Windkraft. Uphoff richtete einen Appell an die Bürgerschaft, die Kommune weiterhin bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge zu unterstützen. „Wir als Gesellschaft und als Staat haben uns hier eine Menge vorgenommen. Nur aus dem Hauptamt heraus lässt sich das alles nicht lösen.“
Der Hauptredner des Tages war Dr. Pieper. Seine Ausführungen trugen den Titel „Bericht aus Brüssel – Was kann das Münsterland von der EU 2016 erwarten?“. „Es ist eine Situation, in der die EU in sehr schwieriges Fahrwasser geraten ist.“ Man befinde sich derzeit im „Würgegriff“ zwischen den extremen Positionen, führte Dr. Pieper aus. Im aktuellen Europaparlament seien rund zwölf Prozent der Sitze an Rechtsradikale, weitere zehn Prozent an Kommunisten vergeben. „Ich vertrete dennoch die These, dass das, was wir in den letzten 70 Jahren erreicht haben, etwas ist, was ohne die EU nicht möglich gewesen wäre.“ Dr. Pieper verwies hierbei auf den europäischen Binnenmarkt und die damit verbundenen positiven Folgen für die heimische Industrie. So seien in der Region rund 200 000 Arbeitsplätze nur dank des hohen Exports entstanden. Ein Lkw könne von Lotte aus innerhalb von 40 Stunden jeden der insgesamt 500 Millionen EU-Bürger erreichen; ohne den Schengenraum seien es mehrere Tage, betonte Dr. Pieper. Die Gedanken, aufgrund der Flüchtlingssituation wieder auf Grenzkontrollen zu setzen, seien nachvollziehbar, lösten jedoch das eigentliche Problem nicht. „Im Moment ist das sicher alles zu schaffen, aber dann nochmals eine Million Flüchtlinge?“ Es sei ein Ritt auf der Rasierklinge. Einerseits gelte es, den Binnenmarkt und all seine Vorzüge zu erhalten, andererseits müsse man die nationale und kulturelle Identität schützen. Es gehe darum, das System leistungsfähiger zu machen und jene, die ohnehin kaum eine Bleibeperspektive hätten, frühzeitig aus besagtem System zu filtern. „Wir müsse diese sicheren Herkunftsländer nicht nur in Deutschland definieren. Wir brauchen diese Definition europaweit. Es vergeht Zeit, die wir nicht haben.“ Trotzdem wagte er einen optimistischen Ausblick. „Man wird Lösungen finden. Es ist ein politisches Spiel, bei dem viele leider noch nicht verstanden haben, dass es kein Spiel ist.“