Westfälische Nachrichten: Freihandelsabkommen – TTIP-Politik zum Nachvollziehen
Kreis Steinfurt – Für mehr Transparenz: Die Abgeordneten des Bundestags bekommen künftig uneingeschränkten Zugang zu den Dokumenten über die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Dies teilte jetzt Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert. Er bezog sich auf ein Schreiben von EU-Kommissionspräsident Juncker. Bislang sind bestimmte TTIP-Unterlagen nur Regierungsvertretern der EU-Mitgliedstaaten und Europaabgeordneten zugänglich. TTIP-Kritiker bemängeln häufig eine ungenügende Transparenz der Verhandlungen mit den USA. Zum Thema TTIP in der Region diskutierten jetzt Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Emsdetten.
Werden durch das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) Hunderttausende neuer Arbeitsplätze geschaffen? Der Europaabgeordnete Dr. Markus Pieper, CDU, findet Spekulationen darüber wenig sinnvoll. Komme TTIP jedoch nicht, würde es für die Innovationsführerschaft Deutschlands „gefährlich“, betont er. „Die neuen Wirtschaftsmächte sind China und Indien“, so Pieper, „der Zusammenschluss der Europäischen Union mit den USA ist überlebenswichtig“, sagt der Europaabgeordnete.
Stefan Engstfeld, europapolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im NRW-Landtag ist skeptisch, ob viele der zahlreichen Reglementierungen des Freihandelsabkommens tatsächlich nötig sind. Diplomingenieur Wolfgang Tenbusch, Geschäftsführer der Albaar Deutschland GmbH hält die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für nicht einschätzbar. Das Unternehmen ist Marktführer (70 Prozent) im Bereich von Kosmetikprodukten. Es betreibt ein Werk in Kentucky/USA.
Alle drei waren am Mittwochabend Teilnehmer der Podiumsdiskussion über das TTIP in Stroetmanns Fabrik, Emsdetten. Eingeladen hatten das europe direct Informationszentrum Steinfurt der Wirtschaftsförderung WESt, und die Europa Union, Kreisverband Steinfurt. Moderator war Dr. Ralf Hell. Kreisdirektor Dr. Martin Sommer begrüßte das zahlreich erschienene Publikum.
Über das TTIP, Abkürzung für „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ wird seit Jahren verhandelt. Befürworter sehen darin Vorteile für große und vor allem auch für kleine Unternehmen. Sie sagen, US-Märkte würden für Firmen aus der Europäischen Union (EU) geöffnet, Bürokratie abgebaut und Handelsvorschriften vereinfacht. Gegner des Abkommens prangern unter anderem die Geheimhaltung bei den Verhandlungen an und befürchten den Verlust wichtiger Verbraucherstandards.
Bei Streitigkeiten zwischen den Regierungen der EU und den USA sollen private Schiedsgerichte entscheiden. Auch dieser Punkt ist umstritten. „Wir haben doch gute Gerichte“, sagt Engstfeld. Dr. Pieper hingegen weist auf politische Instabilität zum Beispiel in Ungarn hin, wo ausländische Unternehmen enteignet würden. „Glauben Sie nicht, dass Investoren aus den USA hier größeres Vertrauen in private Schiedsgerichte hätten als in die staatliche Gerichtsbarkeit?“, gab der Europa-Abgeordnete zu bedenken.
In Punkto Geheimhaltung bei den TTIP-Verhandlungen werde längst etwas getan und mehr Transparenz geschaffen, so Pieper. Engstfeld bezweifelt das und sagte, es gehe nicht nur um die Möglichkeiten der Einsichtnahme in Papiere, sondern vor allem um die Nachvollziehbarkeit der Politik.
Ob ein endgültiger Abschluss des Transatlantischen Freihandelsabkommens noch bis zu den US-Präsidentschaftswahlen im Herbst 2016 zu erwarten sei bezweifeln alle Diskussionsteilnehmer. Pieper prognostiziert, es werde bis dahin bestenfalls eine „Light-Version“ mit Regelung der Schiedsgerichte und technischer Fragen geben, während über hochsensible Themen wohl erst später entschieden werde.