Deutsches Handwerksblatt: Andere Worte, andere Wirkung
Der Dezember des vergangenen Jahres war ein guter Monat für den Großen Befähigungsnachweis. Im Deutschen Bundestag haben sich die Abgeordneten mehrheitlich für den Meisterbrief starkgemacht. Dieser Qualifikationsnachweis sei das Fundament für wirtschaftlichen Erfolg und ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Würde man in den Telegrammstil verfallen, reihten sich die Lobpreisungen aneinander: Perspektive für junge Menschen, Garant für Fachkräftesicherung, Vorzeigemodell für Europa, geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, volkswirtschaftliche Stabilität. Der gemeinsame Antrag von CDU/CSU und SPD liest sich wie eine Lobrede auf den Meisterbrief und das Handwerk. Die Opposition wollte bei diesem Kurs nicht großartig gegensteuern. Ein paar Sticheleien kamen, da der Antrag in einigen Passagen den Argumenten des Zentralverbands des Deutschen Handwerks gleiche. Ja, und? Wer richtige Fakten aufnimmt, wird nicht zum Plagiator. Interessanter war schon, dass es sich eine Partei nicht nehmen ließ, auf die fatalen Folgen der Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 hinzuweisen, die seinerzeit von Grünen und Sozialdemokraten auf den Weg gebracht worden war. Qualifizierungsanforderungen waren gestrichen worden, wie etwa bei den Fliesenlegern. Aber nicht nur in diesem Gewerk hatte das fatale Folgen für die Ausbildungsquote und den Verbraucherschutz. Löblich, dass nun auch Selbstkritik bei den anwesenden Politikern zu hören war. Die CDU hat auf ihrem Kölner Parteitag im Dezember in der Diskussion um den Meisterbrief noch einmal nachgelegt. In einem Antrag hatte der EU-Parlamentarier Markus Pieper sich klar zum Handwerk positioniert, der Antrag wurde angenommen. In diesem wird vom „Meisterbrief als qualifikationsgebundenem Berufs- und Gewerbezugang“ gesprochen, eine Formulierung, die semantisch treffsicherer ist als die Formulierung „sogenannte reglementierte Berufe“. Wörtlich heißt es: „Wir lehnen jedoch eine Politik ab, die darauf abzielt, sinnvolle und bewährte Berufszulassungsvoraussetzungen pauschal abzuschaffen. In diese Richtung zielende Vorhaben unterstützen wir nicht. Die Transparenzinitiative darf nicht dazu führen, den qualifikationsgebundenen Gewerbezugang in bestimmten Berufen in Europa als Markteintrittshindernis zu bewerten.“ Bravo, möchte man rufen. Was der Opposition im Bundestag an weiterführend Konzeptionellem noch fehlte, formuliert nun die Union: Die Überprüfung durch die Transparenzinitiative müsse dazu führen, echte Binnenmarkthindernisse zu identifizieren und abzuschaffen. „Berufszulassungsvoraussetzungen zählen nicht dazu. Es ist ein Irrtum zu glauben, nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit ließe sich durch ein Weniger an Qualifikation und Know-how erreichen.“ Dieser Argumentationslinie waren auch einige Parlamentarier in der Bundestagsdebatte gefolgt. Warum soll etwas abgeschafft und infrage gestellt werden, was seit Jahrzehnten als derart erfolgreich belegt ist. Das mag banal klingen, muss aber immer wieder und wieder vorgebracht werden. Und eines steht fest: Europa hat ganz andere Probleme.
RG