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Westfälische Nachrichten: Power-to-Gas-Pilotanlage in Ibbenbüren – Öko-Strom fließt ins Gasnetz

Überschüssiger Öko-Strom wird als Wasserstoff ins Gasnetz eingespeist: RWE-Technikvorstand Dr. Joachim Schneider (l.) und RWE-Deutschland-Chef Dr. Arndt Neuhaus (2.v.r.) erläutern NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin sowie dem Europaabgeordneten Dr. Markus Pieper (rechts) die Pilotanlage.

Überschüssiger Öko-Strom wird als Wasserstoff ins Gasnetz eingespeist: RWE-Technikvorstand Dr. Joachim Schneider (l.) und RWE-Deutschland-Chef Dr. Arndt Neuhaus (2.v.r.) erläutern NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin sowie dem Europaabgeordneten Dr. Markus Pieper (rechts) die Pilotanlage. Foto: Wilfried Gerharz

Ibbenbüren – Das silbrig-glänzende Rohr ist nur so dick wie ein Finger. Doch mit der dünnen Leitung verbinden sich gewaltige Hoffnungen. Durch das fingerdicke Rohr fließt in der Ibbenbürener Pilotanlage Wasserstoff ins mannsdicke Erdgasrohr darunter. Es ist Wasserstoff, der aus überschüssigem Windstrom hergestellt wurde. Power-zu-Gas nennt sich das Verfahren.

Von Martin Ellerich

Geht es nach NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin, dann könnte es „eine Schlüsselrolle für die Energiewende einnehmen“. Denn: Die Wende zu den Erneuerbaren Energien „kann nur gelingen, wenn wir Energie auch speichern können“, sagt Duin. „Power-to-Gas ist eine solche Möglichkeit.“ Dann setzt er die Brille auf, tippt auf ein Touchpad: Brummend geht die Anlage offiziell in Betrieb.

„Dunkelflaute“ heißt der wunde Punkt der Erneuerbaren Energien. „Dunkelflaute“, das sind jene Stunden, in denen die Sonne nicht scheint, der Wind nicht weht und doch Strom gebraucht wird – am besten jener Wind- und Solarstrom, der an sonnigen und windigen Tagen zu viel anfällt und die Stromnetze überlastet. „Wir kommen in eine Zeit, in der wir zugleich zu viel und zu wenig Strom haben“, beschreibt Dr. Arndt Neuhaus, Vorstandschef der RWE Deutschland AG, das Dilemma. Wind und Sonne richten sich nicht danach, wann und wo Strom gebraucht wird – und speichern lässt er sich bislang kaum.

Effizienteste Power-to-Gas-Anlage in Deutschland

Das Problem der Power-to-Gas-Technik ist bislang die Effizienz: Bei einem Wirkungsgrad der Elektrolyse von rund 70 Prozent ist nach einer anschließenden Rückverstromung schon rund die Hälfte der Energie verloren. Aber: „Mit einem Nutzungsgrad von 86 Prozent steht in Ibbenbüren die effizienteste Power-to-Gas-Anlage in Deutschland“, erklärt Dr. Joachim Schneider, Technikvorstand von RWE Deutschland. Die eigentliche Elektrolyse hat hier einen Wirkungsgrad von 71 Prozent. Weil aber die Abwärme der Elektrolyse in der benachbarten Gasdruckregelanlage genutzt wird, um Gas vorzuwärmen, was technisch notwendig ist, kommt RWE auf 86 Prozent.

Beim Gas sieht das anders aus. Im Kalten Krieg hat Deutschland riesige Gasspeicher angelegt – aus Angst, vom Erdgaslieferanten Sowjetunion im Kalten sitzen gelassen zu werden. Ein gutes Viertel des gesamten Erdgas-Jahresbedarfs kann seitdem in unterirdischen Kavernen und Speichern gelagert werden. 5000 Mal mehr Speichermöglichkeiten als das Stromnetz biete das Gasnetz damit, sagt Neuhaus.

In dem schlichten weißen Seecontainer nahe der Ibbenbürener Disco „Aura“ steckt die Verbindung: In einem „Elektrolyseur“ wird mittels Windstrom – beschafft aus einer Windkraftanlage bei Soest – Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. 150 Kilowatt überschüssigen Strom kann die Anlage aufnehmen. 30 Kubikmeter Wasserstoff liefert sie dann pro Stunde. Der wird in der benachbarten Gasdruckregelanlage – durch das dünne Rohr – mit dem Erdgas vermischt und ins Netz eingespeist. In einem Blockheizkraftwerk in Ibbenbürens Innenstadt kann damit wieder Strom erzeugt werden – und zugleich Wärme für das Fernwärmenetz der Stadt. Erneuerbare Energien, Gasnetz und Fernwärme miteinander verbunden – „das ist ein wirkliches Pilotprojekt“, lobt Duin. Hier könne daran gearbeitet werden, das Power-to-Gas-Verfahren wirtschaftlich zu machen. Von „Königsklasse der Energiespeicherung“ spricht der Europaabgeordnete Dr. Markus Pieper.

Apropos wirtschaftlich: Über die gesamte Kette – Windstrom wird zu Wasserstoff und wieder zu Strom und Wärme – soll der Wirkungsgrad laut RWE immerhin bei 75 Prozent liegen. Anders gerechnet: Ein Viertel der Stromenergie verfällt für das Speichern.

Aber: Auf etwa 15 Tage pro Jahr schätzen Experten die „Dunkelflaute“ hierzulande. Läuft die Ibbenbürener Anlage ein Jahr lang, so könnte sie diese 15 Tage für 2000 Haushalte ausgleichen.

Veröffentlicht am 18. August 2015 in
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