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Westfälische Nachrichten: „Besondere Politikstunde“

Der Schüler spricht ruhig und freundlich. Er dankt Bundesverteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière dafür, dass er nach Gronau ins Gymnasium gekommen ist. Und konfrontiert ihn dann mit dem Slogan „Deutsche Waffen und deutsches Geld morden mit in aller Welt“. „Was tun Sie gegen deutsche Waffenexporte in alle Welt?“, will der Gymnasiast vom Bundesminister wissen.

Nur eines von vielen Beispielen dafür, wie sich Gronauer Schüler und Bürger am Donnerstagmittag ein kritisch-konstruktives Redegefecht mit dem Verteidigungsminister lieferten. Und der griff alle Fragen und viele Zwischenrufe souverän und eloquent auf, blieb keine Antwort schuldig.

Die „Politikstunde der besonderen Art“, wie Schulleiter Helmut Seifen formulierte, stand unter der Überschrift „Europa, Frieden, Sicherheit – Herausforderungen einer gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik“. Zustande gekommen war sie, wie de Maizière betonte, dank des beharrlichen Nachfragens Jens Spahns. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hatte den Verteidigungsminister und den Europaabgeordneten Dr. Markus Pieper (CDU) dazu eingeladen.

Pieper hielt vor den Schülern – eine Generation, für die Frieden und Freiheit selbstverständlich sei – ein Plädoyer für Europa und den Zusammenhalt der europäischen Staaten. Dabei argumentierte er auch wirtschaftspolitisch: „Liebe Schüler, das sind eure Jobs von morgen“, sagte er mit Blick auf die deutsche Exportwirtschaft.

Thomas de Maizière stieg locker in seinen Vortrag ein. Er habe seinen studierenden Sohn gefragt, worüber er in einem Gymnasium reden solle. „Enjoy life!“, habe sein Sohn zurück geschrieben. Das sei aber wohl mehr eine Mahnung an den Vater gewesen, als ein Themenvorschlag.

De Maizière analysierte und interpretierte dann den Slogan der Bundeswehr: „Wir dienen Deutschland“. Er sprach von prägenden Kameradschaftserlebnissen. Ob Dienst bei der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung – der Minister stellte ehrenamtliches Engagement über egoistische Karriereplanung. „Wenn ich Einstellungen vornehmen, dann gebe ich Menschen, die sich für die Gesellschaft engagiert haben, gerne den Vorzug vor den reinen Karriereristen, den Rundgelutschten!“ Er warb auch für den Respekt und die Anerkennung der Gesellschaft denen gegenüber, die sich für das Land engagieren. Besonders hob er dabei die hervor, deren Dienst sogar Gefahren für Leib und Leben mit sich bringe: Feuerwehrleute, Polizisten – und eben auch Soldaten.

Den Schritt mitten in die Politik und die politische Auseinandersetzung machte er mit der Aussage, Deutschland zu dienen heiße auch, deutschen Interessen zu dienen. Einfluss auf die internationale Sicherheitspolitik sei für Deutschland auch wichtig, um zum Beispiel wirtschaftliche, ökologische oder finanzpolitische Interessen durchzusetzen.

Bei der anschließenden Diskussion kam es zu einem aufsehenerregenden Zwischenfall: Ein Schüler beschuldigte den Minister, er sei mit Schuld daran, dass man in Deutschland nicht die Wahrheit sagen dürfe. Ihm drohten wegen angeblicher Holocaust-Leugnung fünf Jahre Gefängnis. De Maizière bekannte sich daraufhin klar zur Meinungsfreiheit, aber auch zu deren Beschränkung, etwa bei Beleidigungen, aber eben auch bei der Leugnung des Holocaust. Dafür erntete er großen Beifall. Der Schüler dagegen wurde nach mehrfachen wütenden Zwischenrufen von einem Polizisten aus der Aula geführt.

Ein Zwischenfall, der aber die ansonsten von Schülern und Lehrern sehr gut organisierte und durchgeführte Veranstaltung nicht nachhaltig überschattete. So nahmen der Minister und der Europaabgeordnete am Ende gut gelaunt eine „Münsterlandkiste“ als Gastgeschenk entgegen. Und Dr. Thomas de Maizière trug sich in das Goldene Buch der Stadt Gronau ein.

Mahnwache vor der Schule

Schon bevor der Minister und die Gäste ins Gymnasium kamen, hatte sich vor dem Schulgebäude eine kleine Gruppe von Friedensaktivisten aufgebaut. Die Männer aus Gronau, Stadtlohn und Enschede forderten unter anderem eine „Schule ohne Bundeswehr“ und „Keine Patriot-Raketen in die Türkei“. „Wir kritisieren außerdem, dass zu der Veranstaltung niemand von der Friedensbewegung eingeladen wurde. Dabei wäre eine solche Ausgewogenheit für eine Schulveranstaltung doch sehr wünschenswert“, sagte der Gronauer Ratsherr Udo Buchholz (GAL).

Veröffentlicht am 12. Januar 2013 in
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